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UIRR Präsident Ralf-Charley Schultze im Interview

Heute im Interview: Ralf-Charley Schultze, der Präsident der Internationalen Vereinigung für den Kombinierten Verkehr Schiene-Straße (UIRR). UIRR ist eine gemeinnützige Organisation, die sich seit mehr als 70 Jahren für die Förderung und Verbesserung des kombinierten Verkehrs einsetzt. Ralf hat während seiner Amtszeit als Präsident wichtige Initiativen und Strategien für die Zukunft des kombinierten Verkehrs auf europäischer Ebene vorangetrieben. Wir freuen uns darauf, mehr über seine Vision für die Zukunft des kombinierten Verkehrs und seine Erfahrungen als Präsident von UIRR zu erfahren.
Vanessa Westermann
Blog

Lieber Ralf-Charley, kannst du dich bitte den Leser:innen einmal vorstellen?

Seit 2014 bin ich Präsident der UIRR, des Industrie-Fachverbandes für den Kombinierten Verkehr Straße-Schiene. Bevor ich anfing, mich für die Interessenvertretung des KV zu engagieren, war ich fünfJahre lang für den Aufbau des KV bei der SBB Cargo in Basel zuständig. Von dort wechselte ich auf die Kundenseite und war für die Entwicklung derInternationalen Multimodalen Verkehre der GEFCO-Gruppe verantwortlich.

Was hat dich denn dazu motiviert, dich für den kombinierten Verkehr (KV) Schiene-Straße einzusetzen?

Durch den KV Schiene-Straße entstehen im Vergleich zum reinen Straßenverkehr eine höhere Effizienz auf der ganzen Linie und bedeutend weniger CO₂ Emissionen. Durch die Integration anderer Verkehrsträger zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle werden die logistischen Ketten umweltfreundlicher, sozialer und wirtschaftlicher. Es ist also ein Thema der Nachhaltigkeit und eine Möglichkeit, das Silodenken zu überwinden. Das ist wichtig für die Umwelt und für die Gesellschaft.

Und jetzt mal Butter bei die Fische: Welche Herausforderungen siehst du aktuell für den KV?

Die größte Herausforderung liegt aktuell in der neuen Realität: Klimawandel, Energiekrise, Krieg in der Ukraine, Kapazitätsengpässe auf der Infrastruktur europaweit und eine unzureichende betriebliche Qualität. Die politische und wirtschaftliche Instabilität führen dazu, dass ein erhöhtes Risiko für die Rückverlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße besteht. Zum Erfolg gehören die richtigen Rahmenbedingungen auf der Seite der nationalen und europäischen Gesetzgebung sowie auch beim Auf- und Ausbau der Infrastruktur vor allem in den Terminals. Das übergreifende Ziel ist und bleibt die Verkehrsverlagerung von der Straße auf noch nachhaltigere Verkehrsträger.

Was konkret würdest du dir denn wünschen, damit KV in Europa weiter gestärkt und ausgebaut wird?

Das ist eine lange Wunschliste. Ganz oben steht der Ausbau der Kapazitäten, wozu auch kreative Kompromisse bei der Priorisierung der Trassen gehören. Zurzeit teilen sich drei Parteien das Schienennetz: Personenverkehr, Güterverkehr und die Baustellen. Hier müssen die richtigen Weichen gestellt werden. Darüber hinaus müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen an die Realität angepasst, vereinfacht und durchsetzbar gemacht werden. Das aktuelle Greening-Freight-Package umfasst fünf Gesetzesvorhaben: KV-Richtlinie, Euro-Count-Emission-Verordnung, Kapazitätsmanagement-Verordnung, Zugführer-Richtlinie und die Richtlinie zu den Maßen und Gewichten der Straßenfahrzeuge, die über die neuen TEN-T-Leitlinien hinaus eine direkte Auswirkung auf unser Business haben. Insofern besteht ein Momentum, jetzt das Richtige zu regulieren, nicht zu viel und nicht zu wenig.

Europa muss insbesondere bei grenzüberschreitenden Verkehren harmonisierter und standardisierter werden. Die Interoperabilität ist bei der ERA in guten Händen aber noch nichtabgeschlossen. Verlader wollen zur Erreichung ihrer eigenen Nachhaltigkeitsziele mehr Intermodalität. Dieses Ziel kann nur gemeinsam mit allen Teilnehmern einer logistischen Kette erreicht werden. Die Digitalisierung kann dabei unterstützen.

Und wie kann die UIRR dabei helfen?

Als Industrie-Fachverband ist die UIRR sehr nah am Kunden, kennt die Anforderungen und begleitet deren praktische Umsetzung. Mit dem Greening-Freight-Package haben wir die einmalige Chance, die Bedürfnisse der Verlader und Spediteure ernst zu nehmen und ein „level-playing-field“ zwischen sämtlichen Verkehrsträgern zu schaffen. Die UIRR arbeitet mit ihren Mitgliedern, den KV Operateuren und den Terminalbetreibern, daran, dass der KV als eigenständiger Verkehrsträger anerkannt wird, und sich sowohl bei der DG Move in Brüssel als auch in den Verkehrsministerien der Mitgliedsstaaten in deren Organisation widerspiegelt. Mit der CT4EU Kampagne begleitet die UIRR den Gesetzgebungsprozess in Brüssel und in den Mitgliedstaaten. Hierzu gehören drei Studien, die unter anderem einen Fahrplan aufzeigen, wie und mit welchen Investitionen der klimaneutrale KV bis 2050 erreicht werden kann.

Welche Erfahrungen hast Du denn in Deiner Zeit als Präsident der UIRR gemacht und was sind Deine wichtigsten Erkenntnisse und Lektionen bis hierher?

Das bessere Verständnis zwischen den europäischen Institutionen und den Mitgliedsstaaten in Sachen Verkehr ist der wichtigste Hebel, um die Verkehrswende hinzubekommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Verlader grundsätzlich bereit sind, den Verkehr zu verlagern. Um diesen Prozess zu beschleunigen, haben wir die richtigen Argumente und diese haben ihre Gültigkeit trotz der neuen Realität nicht verloren. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern und den anderen Teilnehmern an der logistischen Kette die richtigen Brücken bauen und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Keiner schafft es alleine.

Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für den KV und wie kann die UIRR dazu beitragen, dass der Sektor von diesen Entwicklungen profitiert?

Die UIRR hat einen Fahrplan für die Digitalisierung im KV erstellt. Digitalisierung ist für die Effizienzsteigerung und mehr Transparenz notwendig. Die Daten-Interoperabilität ist genauso wichtig wie die Interoperabilität der Infrastruktur und des Betriebs. UIRR hat aktiv an dem Europäischen ELETA-Projekt mitgearbeitet, bei dem ein Algorithmus für die voraussichtliche Ankunftszeit der Züge entwickelt wurde. Davon profitiert der gesamte Sektor. UIRR ist auch Koordinator im EDICT-Projekt, bei dem es umstandardisierte Schnittstellen zu den Terminals, die Sendungsverfolgung CESAR und ein TQM Monitoring System für eine Verbesserung der Pünktlichkeit der Züge geht. Auch das kommt dem Sektor zugute, nicht zuletzt den Kunden des KV. UIRR ist auch verantwortlich für die Verwaltung des ILU Codes und arbeitet an der Entwicklung standardisierter Terminal-Codes und gemeinsam mit RNE an der Ausrollung des Rail Facilities Portal für die Serviceeinrichtungen der Bahn und eine bessere Transparenz.

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